Grußworte - Dekan des Fachbereichs Medizin
Anläßlich der Emeritierung von Prof. Dr. med. Wolfgang Giere nehme ich gerne die Gelegenheit wahr, für das Programmheft seines Emeritierungssymposiums einige Worte zu schreiben.
Bei seiner Berufung im Jahr 1976 wurden der unter seiner Leitung stehenden Abteilung für Dokumentation und Datenverarbeitung drei Aufgaben zugewiesen, nämlich erstens die Unterstützung der Krankenversorgung durch den damals neuen Aufbau der Datenverarbeitung im Universitätsklinikum Frankfurt, zweitens die Unterstützung von Forschung und Lehre durch zentrale Bereitstellung allgemeingültiger DV-Verfahren etwa im Bereich der medizinischen Dokumentation sowie drittens die Forschung und Lehre im eigenen Fachgebiet der medizinischen Informatik.
In jedem der drei Bereiche war Herr Giere sehr erfolgreich tätig. Man kann mit Fug und Recht behaupten, daß Herr Giere die Datenverarbeitung im Klinikum Frankfurt von Grund auf aufgebaut hat. Nebenbei erwähnt und für unseren Fachbereich sehr ehrenvoll: die damalige Konzeption zum Aufbau der Datenverarbeitung im Universitätsklinikum Frankfurt gefiel der Landesregierung in Wiesbaden so gut, daß Herr Giere mit einer hessenweiten
Konzeption beauftragt wurde, die Anfang der achtziger Jahre umgesetzt wurde.
Die Forschung im Fachgebiet der Medizinischen Informatik war damals besonders durch die Konzeption, Realisierung und Einführung des Dokumentationssystems BAIK (Befunddokumentation und Arztbriefschreibung im Krankenhaus) in die klinische Routine bestimmt. BAIK kann ohne weiteres als das Urbild einer elektronischen Patientenakte angesehen werden und ist in Deutschland und auch im Frankfurter Uni-Klinikum noch im Einsatz.
Herr Giere hat frühzeitig erkannt, dass ein weiterer Fortschritt in der automatischen Klartextverarbeitung medizinischer Texte ohne die Bereitstellung medizinischer Ontologien nicht erfolgen kann. Diese frühen Thesaurusarbeiten führten 1994 schließlich zur Entwicklung des Deutschen Prozedurenkodes OPS 301 im Auftrag des DIMDI, dessen Pflege bis heute von ihm als bedeutender Auftragnehmer durchgeführt wird.
1999 erfolgte die Entwicklung des deutschen ICD-10 Diagnosenthesaurus, die alleine in der gedruckten Form eine Auflage von mehr als vierhunderttausend Exemplaren erreichte und praktisch auf dem Arbeitstisch eines jeden Arztes in Deutschland, Österreich und der Schweiz liegt.
An aktuellen Forschungsprojekten sei besonders das gemeinsam von der EU und der National Science Foundation geförderte Projekt MuchMore (Multilingual Concept Hierarchies for Medical Information, Organization and Retrieval) hervorgehoben, an dem renommierte Universitäten wie Stanford, Carnegie Mellon und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz teilnehmen. Für Herrn Giere war es eine besondere Genugtuung, dass sein Modell der Informationsgewinnung in der Medizin zentral in den Projektantrag von MuchMore eingegangen ist, das zeitgleich mit der Emeritierung von Prof. Giere seinen Abschluß findet.
Diese vielfältigen Projekte fanden ihren Niederschlag auch in der Lehre. Hier sei besonders erwähnt, dass das Zentrum der Medizinischen Informatik seit 1984 für den Fachbereich Informatik unserer Universität das Nebenfachstudium Medizin anbietet, das auf der Beliebtheitsskala der Informatikstudenten weit oben steht.
Im Namen des Fachbereichs Medizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität danke ich Herrn Giere sehr herzlich für seinen jahrelangen Einsatz in Fachbereich und Klinikum und wünsche ihm und seiner Familie alles Gute. Ich bin sicher, dass Herr Giere angesichts der Vielzahl seiner Interessen und ehrenamtlichen Tätigkeiten auch im Ruhestand niemals Langeweile verspüren wird und hoffe, dass er seinen Hobbies noch über viele Jahre bei weiterhin guter Gesundheit wird nachgehen können.
Prof. Dr. Josef Pfeilschifter
Dekan des Fachbereichs Medizin
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